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Neues aus dem Erbrecht 4/11

Zulässige Konkretisierung einer Patientenverfügung durch Bezugnahme auf Krankheiten oder Behandlungssituationen

BGH schafft mehr Klarheit zu seinem Beschluss vom 06.07.2016

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Bundesgerichtshof
Bundesgerichtshof

Die Leitsätze

1. Eine Patientenverfügung entfaltet nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sie neben den Erklärungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt, auch erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation Geltung beanspruchen soll.

2. Die schriftliche Äußerung, dass "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollen, enthält für sich genommen nicht die für eine bindende Patientenverfügung notwendige konkrete Behandlungsentscheidung des Betroffenen.

3. Die erforderliche Konkretisierung kann sich im Einzelfall auch bei nicht hinreichend konkret benannten ärztlichen Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Der Wille des Errichters der Patientenverfügung ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Der Sachverhalt

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand (ICD-10: F03). Sie wird seitdem über eine Magensonde (PEG) künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt. Aufgrund einer Patientenverfügung wollten der Sohn als Betreuer und in Abstimmung mit dem Arzt die künstliche Ernährung einstellen. Das AG hat den Antrag abgelehnt und das LG die Beschwerde zurückgewiesen.

In der Patientenverfügung hatte die Betroffene unter anderem angeordnet:

"Für den Fall, daß ich (...) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinstrübung (...) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.

Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist,

daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, - bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben - oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde, - oder - daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, - oder - daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden - des Gehirns zurückbleibt, oder - daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.

Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung.

Aktive Sterbehilfe lehne ich ab."

Zu Lebzeiten hatte die Betroffene mehrfach geäußert, in einer solchen Situation nicht künstlich ernährt zu werden.

Die Gründe

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das LG zurückverwiesen.

Eine Patientenverfügung ist nach Ansicht des Senats nur dann ausreichend bestimmt, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Darüber hinaus ermöglichten Beschreibungen der Behandlungssituationen in der Patientenverfügung dem Betreuer, seiner in § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Prüfungspflicht nachzukommen, ob die in der Patientenverfügung enthaltenen Festlegungen zu den Behandlungsmaßnahmen auf die aktuelle Lebens- und Handlungssituation des Erstellers der Patientenverfügung zutreffen.

Diesen Anforderungen genüge – so der Senat weiter - eine Patientenverfügung nur, wenn sie sowohl konkret die Behandlungssituationen, in der die Verfügung gelten solle, beschreibe, als auch diejenigen ärztlichen Maßnahmen genau bezeichne, in die der Ersteller einwillige oder die er untersage. Namentlich nennt der Senat Angaben zur Schmerz- und Symptombehandlung, zur künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, zur Wiederbelebung, zur künstlichen Beatmung, zur Antibiotikagabe oder zur Dialyse.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen nach Auffassung des Senats dabei nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibend festlege, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation wolle und was nicht. Diese Beschreibung müsse nicht das gleiche Maß an Präzision haben wie die Einwilligung eines Kranken in die Vornahme einer ihm angebotenen Behandlungsmaßnahme. Andererseits genügten allgemeine Anweisungen, wie die Wünsche nach einem würdevollen Sterben oder dem Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen nicht. Die erforderliche Konkretisierung könne sich im Einzelfall auch durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben.


PraxishinweisDie Entscheidung zeigt deutlich, wie schwierig die Abfassung einer Patientenverfügung ist. Die selbst von seriösen Institutionen zur Verfügung gestellten Vorlagen werden vor den Gerichten keinen Bestand haben, spiegeln sie doch nicht hinreichend konkret und individuell die Wünsche und Anordnungen der Betroffenen wider. Die Beratung durch einen Notar oder auf diesem Gebiet erfahrenen Rechtsanwalt ist mehr als nur empfehlenswert.

Die ergangenen Entscheidungen der vergangenen Monate zeigen aber auch, dass eine solche Patientenverfügung kein abzuheftendes Schubladenpapier sein darf. In regelmäßigen Abständen sollte überprüft werden, ob die Formulierungen noch den Vorgaben von Gesetz und Rechtsprechung entsprechen.

Fundstellen:

BGH, Beschluss vom 08.02.2017 - XII ZB 604/15, FD-ErbR 2017, 388701, beck-online; BeckRS 2017, 104649;

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