Die deutsche Rechtspraxis geht bisher davon aus, dass eine Rechnungskorrektur zum Zeitpunkt der Berichtigung Wirkung entfaltet (ex nunc). Das sieht der EuGH allerdings anders, er hat diese Praxis und Rechtsauffassung nachdrücklich verworfen; ein Meilenstein im Steuerrecht und eine Entzerrung bei der Umsatzsteuer.
Nunmehr müssen Justiz und Verwaltung nach Maßgabe dieses Urteils die Wirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungskorrektur projezieren (ex tunc). Offen bleibt derzeit die Frage, ob eine solche Rechnungskorrektur auch noch im Rechtsbehelfsverfahren möglich ist. Will man dem Gedanken einer materiellen Richtigkeit Raum verschaffen, sollte eine Korrektur bis zur Bestandskraft des betreffenden Steuerbescheids möglich sein. Der Hang, sowohl seitens der Rechtsprechung als auch der Finanzverwaltung, Formalien Vorrang zu geben, ist nicht in Abrede zu stellen. Es bedarf eines eindeutigen Votum ja eines Bekenntnisses, dass die inhaltliche Richtigkeit vorrangiges Ziel ist.
Weniger konkret sind die Ausführungen des EuGH zur Frage der Qualität des Nachweises der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs. Aus den Urteilsgründen lässt sich zumindest entnehmen, dass der EuGH durchaus in Erwägung ziehen könnte, dass dieser Nachweis in irgendeiner Weise geführt wird. Auch hier ist ein deutliches Signal zu erkennen, formalen Aspekten keine Priorität zu geben. Es ist zu hoffen, dass der EuGH Gelegenheit erhält, zu diesem Aspekt deutlicher zu urteilen.
Offene Verfahren sind daher tunlichst offen zu halten. Steuerberater und Steueranwalt können durch eine sinnvolle Verfahrensführung oft erhebliche Zinsen vermeiden, die durch die bisher entstehende Interimszeit anfallen konnten.