Strafrichter sind in der überwiegenden Zahl keine Steuerrechtler. Sie neigen mangels fundierter Steuerrechtskenntnisse dazu, die Feststellungen der Finanzverwaltung kritiklos zu übernehmen. Das mag bei einfachen Sachverhalten noch vertretbar sein; ist der Fall indes steuerrechtlich komplex, werden die Tatrichter ihrer Aufgabe zuweilen nicht gerecht. Der BGH verlangt daher erneut, dass die Urteilsgründe nachvollziehbar darstellen, wie es zur Verurteilung gelangt ist. Folglich ist in einem Steuerstrafverfahren die Entwicklung der hinterzogenen Steuern als Kernelement der Urteilsbegründung unverzichtbar. Die Zitierung eines Berichts der Finanzverwaltung reicht nicht aus.
Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) müssen die Urteilsgründe gemäß § 267 I 1 StPO für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum unter Schuldgesichtspunkten so klare Feststellungen treffen, dass sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden steuerrechtlichen Gesichtspunkte als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden. Dazu gehören jedenfalls diejenigen Tatsachen, die den staatlichen Steueranspruch begründen, und diejenigen Tatsachen, die für die Höhe der geschuldeten und der verkürzten Steuern von Bedeutung sind.
Der BGH sah sich veranlasst, die Instanzgerichte auf die ständige Rechtsprechung des BGH hinzuweisen. In der Praxis ist es nicht selten anzutreffen, dass die Instanzgerichte sich auf einen Bericht der Betriebs- oder Fahndungsprüfung beziehen und im Urteil nicht im Detail darlegen, wie der strafrechtlich relevante Steueranspruch hergeleitet wird. Dazu muss der Strafrichter eigene Feststellungen treffen und sich eine Überzeugung von den Besteuerungsgrundlagen verschaffen. Dies ist sowohl für die Feststellung der Erfüllung des Tatbestands der Strafrechtsnorm erforderlich als auch für die Bemessung des Grades der Schuld.
Der Strafverteidiger ist gehalten, bereits in der Hauptverhandlung materiellrechtliche Aspekte dezidiert zu problematisieren. Eine sich auf das Strafmaß beschränkende Verteidigung ist in aller Regel nicht zielführend.
(BGH Beschluss vom 02.03.2016 - 1 StR 619/15; BFH/NV 2016, 1136; NStZ-RR 2016, 137)